Alltag oder alltäglich im Center?

Ein feuchtes "Hallihallo" aus Malaysia!

 

Der Umzug in unser neues Projekt liegt nun schon fast zwei Wochen zurück. In diesen zwei Wochen haben wir, auf Grund des Memory Walks und des Laternen Fests, jedoch verhältnismäßig wenig gearbeitet.

 

Momentan geht es mir immer noch nicht hundertprozentig gut, denn ich habe noch an den Ereignissen aus Taiping zu knabbern. Besonders verfolgen mich die Bilder die der nächtliche Jungenbesuch bei mir hinterlassen hat. Hinzu kommen die vielen neuen Eindrücke die das Einleben im neuen Heim erschweren. 

 

Unsere wiedergewonnene Freiheit wahr- und vor allem ohne Hintergedanken anzunehmen stellt ein weiteres kleines Hindernis auf unserem Weg in ein sorgenfreies Leben dar. Wir werden jeden Tag von unseren Kollegen gefragt ob wir an diesem Nachmittag noch weggehen wollen, wo wir dann hingehen, wen wir denn treffen und wohin wir am Wochenende gehen werden. Erst einmal nervt diese Fragerei natürlich ungemein. Zusätzlich wirkt sich dieses rege Interesse, bezüglich unsere Freizeit, sehr verunsichernd auf uns aus. Denn in Taiping hatte die Aussage "Ja, ihr dürft raus!" nicht unbedingt "Ja, ihr dürft raus!" bedeutet. Sondern eher "Ich habe zwar gerade JA gesagt aber eigentlich meine ich NEIN, ihr dürft nicht raus. Bleibt lieber im Heim und helft noch ein wenig oder spielt mit den Kindern. Denn draußen ist es viel zu gefährlich für zwei fast 20 jährige Frauen bei Tag umher zu wandern. Im Heim ist es so wie so viel schöner als draußen und hier habt ihr doch alles. Ihr braucht gar nicht nach draußen zu gehen. Also NEIN!"

 

So blieben wir die ersten Tage lieber im Center, um den Angestellten zu zeigen, dass wir sie und das Center mögen und daher nicht wegzugehen brauchen. Nach dem wir weiterhin mit Fragen belagert wurden und uns gesagt wurde, dass das Center doch zu öde und langweilig sei und wir sollten doch lieber nach Ipoh fahren und Spaß haben, gingen wir schließlich. 

 

Trotzalledem hatte ich noch ein weiteres schwerwiegenderes Problem. Meine "Essstörung", welche sich schon in Taiping durch den ganzen Stress aufgebaut hatte. In Taiping gab es Tage an denen ich gar nichts essen konnte. Jetzt im Center erwischte mich mein Unwille Reis zu essen erneut. Anders als in Taiping gab es diesmal nicht dreimal sondern nur zweimal am Tag Reis. Ein deutlicher Fortschritt. Zusätzlich wird das Essen von einer Köchin gekocht, welches die Qualität des Essen noch einmal anhebt und die Gerichte variieren. Denn unsere Köchin, die ich nur Auntie (Tantchen) nenne, muss nach einem Essensplan kochen damit gewährleistet wird dass die Patiente sich ausgewogen ernähren. Dieser Essensplan wird von der lokalen psychiatrischen Klinik der Hospital Bahagia Ulu Kinta kurz HBUK vorgegeben. Somit ernähren wir uns von nun an Halal und nicht mehr so Curry lastig. 

 

Kommen wir nun zu meinem Alltag im Center. Jeden Tag von Montag bis Freitag ein paar Minuten vor 8.30 Uhr stecke ich Tanjas und meine Karte in den elektrischen Stempelautomaten. Tanja geht währenddessen in das Haus A um sich bei der Aufsichtsführenden Angestellten zu erkundigen ob unsere Hilfe bei der Beaufsichtigung der Patienten in den Häusern B,C oder D gebraucht wird. Wenn der Fall eintritt, gehen wir, je nachdem wie viele Kollegen fehlen, zusammen oder getrennt in die Häuser. Dort beaufsichtigen wir die Patientinnen bei ihrer Morgenroutine, dass bedeutet die Frauen sollen duschen gehen und sich saubere Sachen anziehen.

 

Noch immer stellt diese Aufgabe eine Herausforderung für mich da. Denn die meisten Patienten verspüren keine Scham und so hocken sie in der Toilette und erledigen ihr Geschäft, egal ob groß oder klein, ohne die Tür zu schließen. Genauso verhält es sich beim Duschen. 

 

Ein weiteres Problem besteht darin die Patientinnen überhaupt erstmal zum Duschen oder Anziehen zu bewegen. Denn zwischen der jeweiligen Patientin und mir steht nicht nur ein enorm großer Altersunterschied, die meisten Frauen sind zwischen 40-65, der es mir erschwert die Patientinnen mit der nötigen Autorität zurechtzuweisen, sondern auch noch die Sprachbarriere zusätzlich zu der geistigen Krankheit. In unserem Center leben fast 70 Chinesen , rund 20 Inder und eine paar wenige Malays. Somit wird nicht nur Englisch sondern Tamil, Malay und ein paar chinesische Dialekte gesprochen. Die Angestellten die hauptsächlich aus Indern und Malays bestehen, sprechen somit im besten Fall nur zwei der oben genannten Sprachen. Es gibt nur eine einzige Angestellte die chinesischer Abstammung ist und diese gehört eigentlich zu den Patientinnen. Ihr seht nicht nur ich habe täglich mit der Sprachbarriere zu kämpfen, selbst die Angestellten können sich nicht richtig mit allen Patientinnen verständigen.

 

Weiterhin sorgt der Unwille mancher Patientinnen sich ordnungsgemäß zu kleiden für Stress am Morgen. Denn nicht jede der Frauen mag BH und Schlüppi tragen oder gar eine Hose. So kann ich zwar die Patientin drauf hinweisen die fehlenden Sachen doch bitte anzuziehen, doch mehr als sagen geht nicht. Ich kann schlecht handgreiflich werden. Immerhin arbeite ich mit behinderten Patienten zusammen. In Ausnahmesituationen ziehe ich dann aber eine der Angestellten zur Hilfe.

 

Um 9.30 Uhr verlassen die Frauen ihr Haus und gehen zusammen nach unten in den Speisesaal. Dort geben Tanja und ich von der Küche aus Milo, das malaysische super Kakao-Getränk, und Kekse aus. Bis um 10 Uhr geht die sogenannte Milo-Pause.

 

Danach arbeiten die Patientinnen entweder im alten oder im neuen Workshop bis um 11.30 Uhr. Ihre Arbeit umfast das Candeltrading, dort wird durch ein kleines Kunststoffplätchen ein Kerzendocht gesteckt, verschiedene Näharbeiten, bemalen von Keramik und das Präparieren von den malaysischen Trinkplastiktüten.

 

Jedoch stehen Tanja und ich schon vor dem nächsten Problem. Die meisten Patientinnen verbringen schon ihr ganzes Leben im Center und verspüren nur noch wenig Lust diese, doch eher, stupide Arbeit zu verrichten. Daher liegen sie lieber auf dem Boden herum. Tanja und ich versuchen dann die Frauen dazu zu bewegen sich hinzusetzen um noch ein wenig Arbeit zu verrichten. 

 

Ab 11.30 Uhr springen alle Patienten auf und lassen Arbeit Arbeit sein, denn das geliebte Mittagessen steht an. Tanja und ich versorgen, mit mal mehr oder weniger Hilfe der Angestellten, zu erst Haus A. Die dort wohnenden Frauen sind teilweise körperlich so schwer geschädigt, dass sie kaum laufen können. Deshalb wird ihnen jede Mahlzeit gebracht. Danach erfolgt die Essensausgabe der übrigen Patientinnen. 

 

Tanja und ich verbringen von 12/12.30 Uhr bis 14 Uhr unsere Mittagspause. Um 14 Uhr finden sich erneut alle Patientinnen und Angestellten im alten Workshop ein. Dort gestalten wir das Nachmittagsprogramm.

 

Jeden Montag, außer dem dritten im Monat, besucht uns ein älteres chinesisches Ehepaar die freiwillig mit den Patienten arbeiten. Der Mann spielt trotz seiner fast vollständigen Blindheit Keyboard während seine Frau mit den Frauen singt und ihnen neue Lieder beibringt.

 

Mittwochs wird zum Saloon gerufen. Dort werden den Patienten die Haare von den Angestellte geschnitten und es wird für die sonstige Hygiene gesorgt, wie zum Beispiel  Finger- und Fußnägel schneiden. 

 

An den anderen Wochentagen spielen Tanja und ich mit den Patienten Dame, Scrabble, Mensch-ärger-dich-nicht, singen oder tanzen mit ihnen bis 15.30 Uhr.

 

Danach geben Tanja und ich erneut Kekse und Tee für die Tee-Pause aus. Genauso wie sich jeden Tag das Mittag- und Abendessen ändert so wechselt auch das Trinken der Tee-Pause. So gibt es am Montag Milchtee, dienstags Barley, mittwochs süßen "Brei", donnerstags Chrysanthementee und freitags dass nach Tanjas und meinem Geschmack absolut ekligste Getränk. Da weder Tanja noch ich wissen wie es heißt, nennen wir es einfach nur:  Teer. Denn es ist schwarz und stinkt genauso schrecklich wie es schmeckt. Die Patienten lieben es alle. 

 

Dadurch das unsere Arbeitszeit eigentlich bis 16.30 Uhr geht, sitzen wir nach der Teepause in der Küche und warten. Die Patienten ziehen sich mit den dazu gehörigen Angestellten wieder in ihre Häuser zurück und machen sich vor dem Abendessen noch einmal frisch. Abendessen wird dann ab 17.30 serviert, aber nicht mehr von Tanja und mir.

 

So dass war es für heute. Ich wünsche euch noch eine schöne Restwoche und lasst ein Kommentar da.

Ich freu mich von euch zu hören.

Grüße aus Malaysia!